Nur drei Buchstaben – und so gefährlich für den Selbstwert deines Kindes
Sei lieb!
Sei vorsichtig!
Sei tapfer!
Sei doch nicht so!
Sei brav!
Sei …!
Wie geht es dir, wenn du diese Sätze in dieser geballten Form so durchliest?
Bestimmt nicht besonders gut, oder? Und jetzt überleg mal oder beobachte dich selbst, wie oft du solche Sätze zu deinem Kind sagst. Wahrscheinlich öfter als dir bewusst ist.
Warum aber soll das Wort SEI dem Selbstwert schaden?
Sei ist die Befehlsform von sein.
Und jeder Satz, der mit „Sei“ beginnt, impliziert beim Kind vor allem eines „So wie ich bin, bin ich nicht richtig! Denn meine Mutter befiehlt mir gerade anders zu sein …“
Für die Entwicklung unseres Selbstwerts und Selbstbewusstseins ist es aber ganz wesentlich, dass wir so angenommen werden wie wir sind. Wir wollen geliebt werden für das was wir sind und nicht für das, was wir leisten.
Stabiles Urvertrauen kann nur bei bedingungsloser Annahme entstehen.
„Wenn du so bist, hat dich die Mama nicht lieb!“ war noch vor wenigen Jahrzehnten gängige Erziehungsmethode. Vielleicht war das ja sogar pädagogisch progressiv, denn immerhin wird das Kind damit nicht körperlich gezüchtigt. Aber psychologisch trotzdem der absolute Hammer – ohne die Liebe seiner versorgenden Personen ist ein Baby oder Kleinkind nicht überlebensfähig! Zum Glück ist auch das inzwischen aus der Mode gekommen.
Der Angriff auf das Sein ist aber nach wie vor noch da.
Es ist nicht der einzelne Satz, der unser Selbstwertgefühl stärken oder schwächen wird. Viel mehr sind es die vielen ganz nebenbei gesagten Sätze, die sich aber mit der Zeit summieren – wie heißt es so schön?
Und irgendwann wird die Stimme von außen, dann zur inneren Stimme des Kindes und es sagt sich selber, es müsse besser anders sein. Denn so wie es ist, ist es offenbar nicht gut genug ….
Außerdem sind diese dem SEI meist folgenden Adjektive für ein Kleinkind einfach zu schwammig. Übrigens auch ganz oft für Erwachsene! Oder gibt es so etwas wie eine allgemeingültige Definition für „brav“ oder „tapfer“?
Diesem Befehl kann das Kind einfach gar nicht befolgen, weil – wie denn auch?
„Was genau meint die Mama jetzt mit brav?“
In der einen Situation vielleicht hinlegen und mich ruhig verhalten (abends beim Schlafen gehen), in der anderen Mund aufmachen (beim Zahnarzt) und wieder ein anderes Mal nicht über die Straße laufen (wenn wir unterwegs sind). Also, was genau soll ich jetzt gerade machen?
All diese Fragen laufen nach einem „Sei“ im Hirn des Kindes. Ok, wohl nicht ganz wortwörtlich, aber ich denke, du weißt, was ich meine …
Kein Wunder also, dass die SEI-Sätze im Sinne der Verhaltensänderung so oft ins Leere verlaufen, oder?
Vielleicht geht’s dir ja gerade ähnlich wie einem Kind nach „Sei brav!“ – du hast verstanden, dass die Sei-Sätze nicht grad optimal sind ….
… aber was bitte stattdessen?
Alternative 1: Abwarten und Schweigen
Stell dir folgende Situation vor:
eine Krabbelgruppe mit Mamas. Babys und Kleinkindern – Lukas (1,5 Jahre) saß gerade noch auf dem Schoß seiner Mama und hat eine Banane angebissen, jetzt macht er sich auf den Weg quer durch den Raum zu Anna (11 Monate), die sich gerade mit einem Spielzeug beschäftigt. Als die Mama sein Ziel bemerkt, ruft sie ihm nach: „Aber – sei lieb zu Anna!“
Dabei wird ihre innere Erwartungshaltung deutlich spürbar. Sie traut ihrem Sohn offenbar zu „eben nicht lieb zu Anna zu sein“ noch bevor irgendetwas getan hat. Kinder spüren solche Erwartungshaltungen und verhalten sich dann ganz oft entsprechend.
Kinder kooperieren eben gern – nicht immer dann und genauso, wenn wir es uns wünschen …
Trauen wir den Kindern lieber etwas zu, noch bevor sie uns etwas bewiesen haben! Zutrauen ist der beste Booster fürs Selbstbewusstsein.
Alternative 2: Das Verhalten benennen
Eine Person und ihr Verhalten – das sind zwei Paar Schuhe (ich weiß, ein etwas flapsiger Vergleich 😉
Bleiben wir bei obiger Situation: Lukas ist nun tatsächlich zu Anna hin marschiert und wollte das Spielzeug haben. Als sie es nicht auslässt, packt er sie an der Hand und reißt sie fast um. Die Mama ruft: „Sei nicht so grob!“
Lukas erfährt dadurch, dass er offenbar grob ist (er weiß wahrscheinlich jetzt noch nicht so genau, was das Wort bedeutet, aber wenn er es oft genug hört, wird er „grob“ in ein sein Selbstbild integrieren und sich in Folge auch dementsprechend verhalten) – was er stattdessen machen soll, weiß er aber nicht?
Besser wäre es in dem Fall zu handeln – erst mal Lukas Hand von Anna – lösen und die Situation benennen. „Du möchtest gerne das Spielzeug haben, aber Anna mag es nicht hergeben. Wenn du so stark an ihrem Arm reißt, habe ich Angst, dass sie umfällt und sich wehtut.“
Jetzt fühlt Lukas sich verstanden und kann gemeinsam mit seiner Mama überlegen: könnte man Anna fragen? Oder sich ein anderes Spielzeug holen? Oder die Banane fertig essen?
Spürst du den großen Unterschied der beiden Reaktionsweisen? Der „Sei“-Satz bezieht sich auf Lukas als Person, die andere Variante auf sein Verhalten.
Es ist immer hilfreich in unserer Kommunikation die Person und ihr Verhalten getrennt zu behandeln – oder anders gesagt:
Wir werden unser Kind immer lieben, aber wir müssen nicht mit jeder seiner Verhaltensweisen einverstanden sein!
Was dem Selbstwert gut tut
Kinder hören übrigens viel zu oft NEIN in ihrem Alltag – ein zu viel davon schadet dem gesunden Selbstwert!
Sicher, ein gewisses maß an Neins ist notwendig, dein Kind muss vor Gefahren geschützt werden und muss auch lernen, gewisse Grenzen und Regeln zu akzeptieren.
Aber hör dir mal selber zu, beobachte dich – du wirst feststellen, dass nicht jedes deiner Neins wirklich notwendig ist!
Als kleine Hilfe habe ich hier für dich ein Mini-Poster zusammengestellt, dass du auf deinen Kühlschrank kleben kannst. Es wird dich daran erinnern, dass es in vielen Situationen auch Alternativen fürs NEIN gibt.
Trag hier deine Emailadresse ein und du bekommst kostenlos das Mini-Poster zum Download mit einer Erklärung, wann und wie du diese Alternativen zum NEIN-Sagen anwenden kannst – dein Kind und sein Selbstwert werden es dir danken!
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