„Wenn der Kuchen redet, hält der Krümel Ruhe…“ 

So viele Ratgeber für Eltern gab es wohl nie zuvor in der Geschichte der Menschheit – sei es in Buchform, als Video auf Youtube oder auch in Blogs im Internet. Meiner ist da ja keine Ausnahme 😉

Und trotzdem sind Eltern verunsichert und stehen ihren Kindern oft genug vollkommen hilflos gegenüber.

Helikopter-Eltern, Tyrannenkinder, Tigermütter – unwillkürlich stellt man sich die Frage: 

War es früher wirklich leichter zu erziehen?

Ich denke, früher war es insofern leichter als es einen breiteren Konsens darüber gab, wie Kinder zu sein haben und wie nicht. Wie schon der Spruch im Titel dieses Artikels so schön sagt. Ein ruhiges Kind war ein gutes Kind. Kinder hatten möglichst den Mund zu halten und ohne Widerspruch das zu tun, was die Erwachsenen sagen.

Gehorsam war ein allgemein anerkanntes Erziehungsziel, Strafen – auch körperliche! – auf der Tagesordnung. Schließlich machten das alle so, damit konnte man sich beruhigen, wenn Zweifel aufkamen! 

Mittlerweile ist das unmodern (Gott sein Dank!) – viele heutige Eltern haben diese Erziehung am eigenen Leib erlebt und wissen genau, dass sie „es“ nicht so machen wollen wie ihre eigenen Eltern. 

Was ihnen aber fehlt: die Alternative – sie wissen nicht, was stattdessen sie tun sollen! 

Was macht es Eltern heutzutage so schwer zu erziehen?

Wie schon weiter oben erwähnt, gibt es heute viel mehr Varianten, einen Dschungel an Ratgeberliteratur und unzählige Ratschläge, die sich oft genug gegenseitig widersprechen.

Eltern haben also die Wahl. Und wer die Wahl hat, hat die Qual!

Klingt trivial, aber ist so. In der italienischen Trattoria mit zwei Gerichten zu Mittag brauche ich nicht lange mich zu entscheiden. Im Restaurant mit buchartiger Speisekarte aber sehr wohl und die Chance eine schlechte Entscheidung zu treffen ist deutlich höher.

Eltern müssen sich heute viel mehr über ihre Werte klar werdenn, die sie ihren Kindern vermitteln wollen. Dabei gibt es schon oft genug Konflikte zwischen dem Elternpaar, welche Werte denn nun Priorität haben.

Nachbarn und andere Eltern in der Babygruppe oder im Kindergarten haben wiederum ganz andere Werte und verhalten sich in ihrer Erziehung vollkommen anders. Somit wird auch Erziehung schwerer vergleichbar – jeder ist gefordert seinen eigenen Weg zu finden.

ABER – was heißt Erziehung eigentlich?

Da drüber wird ja im Internet viel diskutiert und es tauchen immer neue Bezeichnung für Erziehungsstile auf – „artgerecht“, „unerzogen“, „Attachement Parenting“ das sind die moderneren, ein bisschen veralteter klingen bereits „partnerschaftlich“, „autoritativ“, „demokratisch“ und dann gibt’s ja noch die Klassiker „autoritär“ und „antiautoritär“.

Auf Facebook kann ganz schnell unter einem Posting ein „Mommy War“ ausbrechen, weil jeder seine Ansicht für richtiger hält … in meinen Live-Seminaren ist mir das immer wichtig, dass auch mal verschiedenste Meinungen nebeneinander stehen dürfen und es nicht immer nur um richtig und falsch geht.

Schauen wir uns mal an, wie Erziehung auf Wikipedia definiert wird:

„Unter Erziehung versteht man die pädagogische Einflussnahme auf die Entwicklung und das Verhalten Heranwachsender. Dabei beinhaltet der Begriff sowohl den Prozess als auch das Resultat dieser Einflussnahme“.  

Dieser Satz macht für mich die Sache mit dem Unerzogen schwer – denn auch mit Nicht-Erziehung gebe ich für mein Kind ja ein Vorbild ab und beeinflusse es damit. Beeinflussen hier im besten Sinne gemeint, nicht in Richtung Manipulation.

Es erinnert mich auch sofort an Watzlawiks „Du kannst nicht nicht kommunizieren!“ und bedeutet für mich „Du kannst nicht nicht erziehen!“ 

Was immer ich als Mutter mache oder auch nicht mache, welche Entscheidung ich treffe oder nicht treffe, welches Verhalten ich an den Tag lege oder eben auch nicht, was ich sage oder nicht sage – mein Kind wird es wahrnehmen seine Schlüsse daraus ziehen. 

Und schon ist Erziehung passiert … 

Weiter geht es auf Wikipedia: „Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten“.

Wesentliches Keyword in dieser Definition ist für mich „beurteilt“ und „bewertet“. 

Wir alle haben Urteile und Bewertungen über unsere Kinder in den Köpfen, ganz einfach, weil unser Hirn so arbeitet. Wir sollten sie uns aber dringend bewusstmachen, denn diese beeinflussen ganz stark unseren Umgang mit unseren Kindern und damit unsere Erziehung. 

Wann muss man beginnen zu erziehen?

Wenn mir diese Frage von Baby-Eltern gestellt wird, steckt meist die Angst vor dem Verwöhnen dahinter. Immer noch geistert das „Du musst es auch mal schreien lassen!“ herum. 

Also, liebe Eltern, nein, an einem Neugeborenen muss man nichts herum erziehen!

Was bitte möchte man denn an einem Baby, das noch nicht viel mehr kann als sich durch Weinen Hilfe zu holen auch erziehen? 

In diesem Alter ist möglichst schnelle Bedürfniserfüllung angesagt, was wiederum nichts mit Verwöhnen zu tun hat, sondern viel mehr mit der Ausbildung von Bindung und Urvertrauen. 

Für mich beginnt Erziehung dann, wenn das Baby mobil wird. Wenn es anfängt zu krabbeln, wenn es Dinge aus eigener Kraft erreichen kann. Und dann geht es aber nicht darum, dem Baby etwas zu verbieten oder ihm beizubringen. Erziehung durch Umweltgestaltung ist angesagt. 

Eltern sollten sich in das Baby hineinversetzen und die Wohnung kindersicher machen, so dass das Baby sie gefahrlos entdecken und seiner Neugier einigermaßen freien Lauf lassen kann. In diesem Fall setzen wir hier die vielzitierten Grenzen nicht mit Worten, sondern mit Taten. 

Wenn ein Eineinhalbijähriger eine wertvolle Vase in die Hände bekommt und sie dann vielleicht fallen lässt, ist nicht er daran schuld, weil er so ein schlimmes Kind ist. Sondern die Erwachsenen sind in der Verantwortung. Sie haben die Gefahr nicht vorhergesehen und die Vase nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht. 

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Gibt es eine „richtige“ Erziehung?

Nein!

Aus meiner Sicht ist Familie viel zu individuell als dass es eine Methode, einen Erziehungsstil, ein Verhalten geben könnte, das für alle richtig und gut ist.

Gemeinsame Mahlzeiten sind etwas Schönes, aber in vielen Familien nicht immer verwirklichbar aufgrund von Arbeitszeiten oder -orten. Deshalb kann nicht postuliert werden „Jede Familie sollte das Abendessen gemeinsam einnehmen!“ mit dem gedanklichen Zusatz „nur so wird ihr Kind glücklich!“ 

Solche Aussagen produzieren nur noch mehr Stress und Unsicherheiten bei Eltern.

Ein paar Punkte möchte ich Eltern aber als Gedankenanstöße mitgeben: 

  1. Erziehung beginnt beim Erzieher

Eltern sollten zuerst an deinen eigenen Schrauben drehen! Sie können sich über die eigenen Werte klar werden und sich entsprechend danach verhalten – das Kind wird entscheiden, was davon es für sein eigenes Leben übernimmt.

  1. Eltern sind die Experten für ihre Kinder

Keine Beraterin oder Berater oder Erfinder einer „so-machst-du-dein Kind-funktionierend-Methode“ kennt ihr Kind besser als sie selbst. Nur sie allein können entscheiden, was gut für sie selbst, ihr Kind und ihre Familie ist. Nichtsdestotrotz macht es Sinn sich manchmal Input von außerhalb zu holen, aber schlussendlich wählen sie aus diesem Input aus, was sinnvoll, lebbar und alltagstauglich für sie ist!

  1. Jeder macht das Beste, das ihm gerade zur Verfügung steht

Wir Menschen haben nicht immer alle Ressourcen zur Verfügung – wenn ich als Mama schon seit Wochen unter Schlafmangel leide, kann ich nicht immer gelassen auf meine Kinder reagieren. Das ist ok und verständlich – und es ist das absolut richtige, mir Hilfe in welcher Art auch immer zu holen.

  1. Gleichwertig heißt nicht gleichberechtigt!

Kinder sind als Menschen absolut gleichwertig, können aber aufgrund ihrer altersentsprechenden Fähigkeiten und Lebenserfahrungen nicht gleichberechtigt sein! Es liegt immer in der Verantwortung des Erwachsenen, welche Entscheidungen und Freiräume dem Kind überlassen werden.

  1. Das Bedürfnis hinter dem Verhalten ist richtig und verständlich, die Strategie nicht immer!

Spielen wollen ist verständlich, das wäre das Bedürfnis – dafür dem Kind nebenan in der Sandkiste den Eimer aus der Hand zu reißen, das wäre die Strategie, die ist verbesserungswürdig …

Was Erziehung für mich definitiv NICHT ist

  • Alles, was mit Strafe und Belohnung zu tun hat (das wäre Dressur!)
  • Dem Kind etwas aufzupropfen, was so gar nicht seinem Naturell entspricht
  • Methoden, die angeblich für alle Kinder funktionieren
  • überhaupt die Idee, Kinder funktionierend zu machen 

Was, wenn ich Fehler mache in der Erziehung?

Eine ganz große Elternangst!

Aber, Fehler sind keine Katastrophe – Fehler sind eine Rückmeldung, dass es offenbar auf diesem Weg nicht funktioniert und man besser einen anderen versuchen sollte.

Es ist eine Illusion, als Eltern alles richtig und perfekt machen zu können. Und es wäre auch für die Kinder nicht optimal, perfekte Eltern zu haben.

Kinder brauchen echte Menschen als Vorbilder – und echte Menschen machen Fehler! Aber von diesen echten Menschen lernen Kinder eben auch wie man 

  • Einen Fehler wieder ausbügelt
  • Es noch einmal aufs Neue versucht
  • Sich auch mal entschuldigt 

Das alles würden perfekte Eltern ihren Kindern vorenthalten! 

Fazit:

Eltern, entspannt euch!

Holt euch Hilfe, wenn ihr das Gefühl habt, hilflos und überfordert zu sein – in einer Gruppe zu erleben, dass es anderen genauso geht, kann unheimlich entlastend sein! 

 

 

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Porträt Vera Rosenauer

Vera Rosenauer

selbst Mama von zwei großartigen Töchtern, passionierte Langschläferin, Besitzerin (und Leserin!) mehrerer Kubikmeter Fachliteratur, zufriedene Kundinnen seit 2009

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