Papa in Karenz – Elterndasein aus der Sicht eines Mannes
Wie versprochen kommen ab sofort auch immer wieder Papas auf dem Blog zu Wort - den Anfang macht Sebastian Bred über seine Erfahrungen als Papa in Karenz.
"Ich bin wieder einmal mit meinem Sohn am Spielplatz. Es ist ein Sommertag unter der Woche und ich bin – wenig überraschend – der einzige Vater mit Kind.
Und wie so oft fällt mir auf, dass ich im Fokus der Frauen stehe.
Nicht von Anfang an.
Dafür aber jedes Mal wenn ich etwas mit meinem Sohn mache. Egal ob ich ihm auf der Parkbank die Windel wechseln darf oder er etwas zu trinken oder essen bekommt – ich werde vorsichtig, neugierig und manchmal kritisch beäugt oder belächelt.
Bei Gesprächen, die sich ja anhand der kontaktfreudigen Kinder automatisch ergeben, sind die Mütter / Großmütter oft interessiert daran herauszufinden, wie denn das genau mit der Mama ist. Ob ich eine Ausnahme bin (weil Mama krank) oder eine Dauererscheinung (weil Mama weg).
Die meisten sind überrascht, wenn sie merken, dass ich ein Vater in Karenz bin.
Der Vater in Karenz – eine Ausnahmeerscheinung?
Ich lebe in Wien und habe mich gemeinsam mit meiner Frau vor der Geburt unseres Sohnes dazu entschieden, dass wir beide die Karenzzeit teilen. Konkret bedeutet dies, dass meine Frau das erste Jahr zuhause ist und ich das zweite Jahr.
Ich komme nicht weit mit meiner Erklärung, wenn ich davon erzähle, dass ich mit meiner Frau die Karenzzeit aufgeteilt habe. Bei den meisten Müttern ruft diese Situation einen Erklärungsreflex hervor.
Ein Reflex, mit dem mir erklärt wird „warum dies bei uns nicht geht.“
Bei den Gesprächen fällt mir auf, dass bei den meisten Paaren vor der Geburt des Kindes Dinge/ Regeln etc. vereinbart wurden, die spätestens 1 Jahr nach der Geburt des Kindes keine Gültigkeit mehr haben. Dies gilt für Beziehungs- und Erziehungsthemen, wie
- die Arbeitsteilung im Haushalt,
- wer sich wann um das Kind kümmert und
- die gegenseitige Unterstützung bei der Organisation des Alltags (z.B. Einkaufen gehen).
In den meisten Fällen bleiben die Aufgaben an den Frauen hängen bzw. die Verteilung der Aufgaben kippt mit der Zeit immer mehr in Richtung Frau. Dies wird dann oft zum Beziehungsproblem, wenn die Karenz vorbei ist und der Wiedereinstieg in die Teilzeit bevorsteht. Es ist ein schleichender Prozess, der oft zum Auslöser von Beziehungskonflikten wird, wenn nicht über diese Veränderungen gesprochen wird.
Warum Männer nicht in Karenz gehen
Im Laufe der Jahre habe ich diese Frage oft gestellt und viele übereinstimmende Antworten erhalten.
Es liegt selten an der Dauer der Karenz.
Sondern es geht darum, dass, obwohl finanziell tragbar, die meisten Männer aus beruflichen Gründen – so ihre Frauen – nicht in Karenz sind. Die meisten Frauen argumentieren es ökonomisch, d.h. der Mann verdient mehr und daher bleiben sie zuhause.
Wenn ich nachfrage, warum der Mann nicht für ein paar Wochen oder Monate in Karenz geht, wird deutlicher, warum dies in Österreich immer noch ein Minderheitenprogramm ist. Die meisten Mütter erzählen mir, dass dies im Job ihres Mannes / ihres Partners nicht geht. Egal ob große oder kleine Firma, die Männer geraten beim Thema Karenz unter Druck.
Viele Männer argumentieren, dass es bei ihnen keiner macht oder ihr Chef dafür kein Verständnis hätte. Und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten geht die Jobsicherheit vor.
Dabei fällt mir auf, dass es nicht nur um das gesellschaftliche Signal dabei geht. Es geht vielmehr darum, dass wir unsere Partner ein Stück weit im Stich lassen, wenn wir ihnen sukzessive Kind, Haushalt und das ganze Paket komplett überlassen.
Arbeitsteilung im Haushalt
Es gab vor einigen Monaten auf Facebook eine virale Kampagne, bei der ein Mann sagt, er würde seiner Frau im Haushalt helfen. Dessen Freund argumentiert dann, dass er zuhause ein Partner ist, der sich an allen Dingen beteiligt und nicht ein Assistent, der hilft. Auch hier auf dem Blog wurde schon darüber geschrieben - Warum Männer NICHT im Haushalt helfen sollten
Für die Beziehung ist es ein großer Unterschied ob ich zuhause „helfe“ oder ob wir gemeinsam für kochen, aufräumen, Kindererziehung etc. zuständig sind.
Der Unterschied macht sich nicht nur in der Erwachsenenbeziehung (Stichwort Gleichberechtigung) bemerkbar. Auch meinem Kind zeige ich damit im Alltag, dass ich im Haushalt und bei der Kindererziehung meine Vorstellungen und meine Zeit genauso einbringe, wie dies meine Frau tut.
Dies prägt langfristig die Einstellung meines Sohnes dazu, ob etwas eine „Frauenaufgabe“ oder eine „Männeraufgabe“ ist. Langfristig hat dies auch Einfluss darauf, welchen Typ Beziehungspartner er sich aussuchen wird.
Ein Stück weit merke ich, dass ich die Aufgabenteilung im Haushalt zuhause gelernt habe.
Mein Vater hat sich in meiner Kindheit zwar nicht um viel gekümmert - im Vergleich zu heutigen Vätern - aber er war für Waschen und Aufhängen der Wäsche zuständig. Das war für einen Mann in den 70ern in Tirol sehr fortschrittlich. Es war so außergewöhnlich, dass unsere Nachbarn Gäste eingeladen haben und mit ihnen meinen Vater beim Wäscheaufhängen beobachtet haben.
Wie steht es um unsere Vorbildfunktion als Männer?
Alles beginnt zuhause im Elternhaus.
Dort zeige ich meinem Sohn, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Ich definiere mit meiner Frau, ob es etwas gibt, das „nur Männer“ machen oder etwas, das „Frauen besser können.“
Dabei geht es eigentlich gar nicht darum, welches Geschlecht etwas besser kann.
Es geht vielmehr darum, ihm zu zeigen, dass es um eine gemeinsame Aufgabe von mir und meiner Frau geht.
Egal ob Ordnung, Erziehung, Kochen, Urlaub, Arzt-und Werkstatt-Termine – es sind gemeinsame Aufgaben, die beide von uns bewältigen können.
Dabei ist es auch OK, wenn ich lieber den Geschirrspüler ausräume und meine Frau lieber die Wäsche macht. Mit der Zeit wird er bei beiden Aufgaben eingebunden. Und spätestens da wird klar, dass es bei den Aufgaben nicht um das Geschlecht geht, sondern oft um Zeit und Lust diese Aufgaben zu erledigen.
Kinderbetreuung in Frauenhand – eine Männerperspektive
Mittlerweile sind seit der Karenz einige Jahre vergangen. Doch das Bild ist ähnlich geblieben.
Ich sehe mehr Väter mit ihren Kindern am Spielplatz.
Wir sind immer noch eine Ausnahmeerscheinung, aber wir Väter werden mehr.
In der Kindergruppe (z.B. Babyzeichensprache) bin ich der einzige Mann, der ein Mal in der Woche an einem Nachmittag mit anderen Müttern dafür sorgt, dass unser Kind sich mit Händen verständlich machen kann. Die Mütter stört das nicht. Hier merke ich manchmal, dass es anders ist, ein Vater zu sein.
Nicht zuletzt, weil ich einfach nicht über das Netzwerk der Frauen verfüge. Da meistens die Mütter ihre Kinder vom Kindergarten holen, liegt die Nachbetreuung und die Gestaltung bei Ihnen.
Playdate – ein Whatsapp-getriebenes Frauennetzwerk
Playdate ist mein Wort für die Verabredung, die Eltern für ihre Kinder nach dem Kindergarten machen.
Auch hier sind die Frauen neugierig und interessiert an „meiner Story“. Sie wollen wissen, wo die Mutter ist.
Im Kindergarten bin ich der Vater, der den Sohn holt und bringt und auch der Vater der die Eingewöhnung macht. Fast alle Beziehungen baue ich mit Müttern auf.
Erst bei Playdates tauchen die Väter auf – oft, wenn sie von der Arbeit kommen. Und langsam entsteht auch hier eine Beziehung. Doch genauso ist klar, dass die Kinderbetreuung nach der Karenz fast ausschließlich in Frauenhand ist.
Da die Kindergarten/Schul-Betreuung ebenso fast ausschließlich von Frauen gemacht wird, erleben unsere Kinder in den ersten 10 Jahren ihres Lebens fast nur Frauen als primäre Bezugspersonen, von denen sie etwas lernen bzw. die für ihre Freizeitgestaltung verantwortlich sind.
Heute – nach 4 Jahren im Kindergarten – bin ich Teil des Playdate-Netzwerkes und organisiere so wie die Mütter das Holen und Bringen von Kindergartenkindern auf Wochenbasis. Es macht hier definitiv keinen Unterschied ob ich Mama oder Papa bin. Es geht mehr darum, dass es gemacht wird.
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Wo es keinen Unterschied macht
Es gibt genug Bereiche, wo es keinen Unterschied macht ob Vater oder Mutter die Aufgabe übernehmen.
Ich übernehme z.B. die meisten Arzttermine, die sich im Laufe der Jahre aus Krankheit und Maßnahmen (Zahnspange, Logopädie) ergeben. Dies hat wenig mit meinem Geschlecht und viel mit meiner Zeit zu tun. Da meine Frau Vollzeit arbeitet und ich selbständig bin, ist es für mich oft möglich / einfacher diese Termine wahrzunehmen.
Dadurch bin ich oft auch verantwortlich für die Vor- und Nachbereitung dieser Termine. Das ändert nichts daran, dass im Krankheitsfall mein Sohn sich an meine Frau wendet. Denn sie weiß oft besser, welche Medizin/Maßnahme für ihn in dem jeweiligen Fall passt …..
Für meinen Sohn
Interessant ist, dass die Unterschiede nur mir auffallen.
Dies mag daran liegen, dass ich eben mehr oder weniger der einzige Vater bin, der den Rollentausch lebt.
Für unseren Sohn ist es komplett irrelevant, ob ich oder meine Frau ihn holen. Er freut sich immer sehr, wenn meine Frau Zeit hat und diese mit ihm verbringt. Dasselbe gilt für seine Freunde im Kindergarten. Da bin ich einfach ein Erwachsener, der holt bringt, Essen zur Verfügung stellt etc.
Die Pole-Position
Die ersten Jahre seines Lebens fällt mir auf, dass - egal wieviel Zeit ich mit ihm verbringe – meine Frau die unumstrittene Nummer 1 ist.
Ich bin das Rückgrat und die sichere Bank. Meine Frau ist dennoch die heißgeliebte Nummer 1.
Ein Stück dahinter komme ich. In meiner Karenzzeit kränkte mich dies zuerst, da ich nach ihrer Karenz auf eine Veränderung wartete. Mit der Zeit wird mir klar, dass meine Frau immer die Nummer 1 sein wird und ich – je nach seinem Alter – mal mehr oder weniger wichtig sein werde.
So wie zurzeit, wo er kurz vor der Schule steht und ich seit einem guten Jahr in der Pole-Position bin.
Es ist ein schönes Gefühl die Nummer 1 zu sein.
Und wie mit so vielen Dingen – nicht mehr so wichtig, wenn Mann es mal erlebt hat ;-)
Sebastian Bred ist eingetragener Mediator und spezialisiert auf die Kommunikation zwischen Mann und Frau.
Er ist Erfinder des Beziehungskoffers und der Spiele-Box für Paare
Seit vielen Jahren schreibt Sebastian als Beziehungs-Ratgeber einen regelmäßigen Blog. Der Beziehungs-Ratgeber richtet sich an Paare, die sich für aktuelle Studien und Forschung zum Thema Paarbeziehung, Beziehungspflege und Kommunikation zwischen Mann und Frau interessieren.
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