Rituale – warum sie für Kinder so wichtig sind

Ein Ritual – was ist das eigentlich?

Ein Ritual, das sind Verhaltensweisen, die einem festen Ablauf, gewissen Regeln oder einem Schema unterliegen und in bestimmten Situationen wiederholt werden. Manche werden geübt, manche unbewusst vollzogen – die Abfolge ist allen Beteiligten vertraut. Der Sinn ist nicht immer logisch erfassbar, sondern besteht darin, dass das Ritual anerkannt ist und befolgt wird.

Vielleicht denkst du beim Wort Ritual eher an Leute, die singend rund ums Lagerfeuer tanzen oder an Voodoo-Rituale – offenbar denken daran sogar sehr viele, wie meine Google Bildersuche ergeben hat als ich ein Bild für diesen Beitrag gesucht habe …

Aber ich bin sicher, jeder von uns hat eine Unzahl an Mini-Ritualen, die ihn durch den Alltag begleiten.

Wo liegt zum Beispiel Dein Wohnungsschlüssel? Wahrscheinlich hast du einen fixen Platz dafür, wo er gleich nach dem Heimkommen hingelegt wird. Machst du das vor dem Schuhe ausziehen oder nachher? Und – wenn er nicht dort liegt, wo suchst du ihn dann zuerst?

Oder das Aufstehen in der Früh – da hat doch auch jeder so seine Abfolge. Und wenn die aus welchem Grund auch immer mal anders sein muss, fängt der ganze Tag schon unrund an. Jedenfalls geht es mir so!

Diese Rituale erleichtern unseren Alltag ungemein, denn wir brauchen nicht bei jedem Handgriff mitdenken, was als nächstes kommt. Stell dir vor, du musstest beim Pullover anziehen mitdenken in welcher Reihenfolge du deine Muskeln bewegst. Im Gegenteil, sobald du anfängst zu denken, funktioniert das Anziehen nicht mehr wirklich ….

Wir können das natürlich auch Gewohnheiten nennen.
Gewohnheiten werden eher unbewusst und automatisiert durchgeführt, Rituale bewusst und oft mit einem bestimmten Ziel. Die Grenzen zwischen den beiden Begriffen sind fließend, deshalb verwende ich die Begriffe synonym.

So mag das Vorlesen am Abend zuerst mal ein bewusst eingeführtes Gute-Nacht-Ritual sein, mit den Jahren wird es zu einer liebgewordenen Gewohnheit und begleitet viele bis ins Erwachsenenalter. Vielleicht nicht als Vorlesen, aber als selber lesen vor dem Einschlafen.

Für Kinder bedeuten Rituale Sicherheit und Halt in einer an Reizen unüberschaubaren Welt. Es tut gut, sich auf etwas verlassen zu können – und sei es nur, dass beim Frühstück immer das gleiche gelbe Häferl auf meinem Platz steht!

Wie entstehen Rituale?

Meist werden Traditionen aus der Herkunftsfamilie übernommen, wird dann eine eigene Familie gegründet, prallen oft zwei Welten aufeinander. Viele kennen das am Beispiel Weihnachten: wer feiert dann wann, mit wem und wie? Warum jetzt anders, das war doch immer so bei uns!!!

Dann gilt es, Varianten zu probieren, sich etwas auszudenken und neue Traditionen zu schaffen.

Überlege mal, was du besonders positiv oder auch negativ in Erinnerung hast:

• der Kuchen, der immer fürs Sonntagsfrühstück gebacken wurde
• der Kasperl, der am Mittwochnachmittag geschaut werden durfte
• die spezielle Suppe, die es nur gab, wenn man krank war

Was davon möchtest du gerne mit deinen Kindern fortführen? Was darf verändert werden, was weggelassen werden?

Oft kommt einem auch der Zufall zu Hilfe: Meiner kleinen Tochter fiel der Abschied im Kindergarten immer schwer und wir haben vieles probiert, das ich in klugen Büchern gefunden hatte. Eines Tages trug ich zufällig Lippenstift, gab ihr ein Bussi auf die Wange und sagte ohne nachdenken über den entstandenen Lippenstiftabdruck: „Jö, heute hast du ein Bussi, das bei dir bleibt!“
Und so eines wollte sie dann jeden Tag haben und der Abschied war plötzlich kein Thema mehr!

{loadmodule mod_blank250,7 typische Eltern-Fallen beim Grenzen setzen}

Wann und wofür sind Rituale geeignet?

Für regelmäßig wiederkehrende Situationen

  • Tägliche Rituale – morgens, abends, essen, waschen, anziehen, aufräumen, schlafen gehen …
  • Im Jahreskreis – Schneeglöckchen pflücken, Kastanien sammeln, Kekse backen, …
  • Feste – Geburtstage, Weihnachten, …

Für Übergänge

  • Wochentage – Wochenende
  • Erster Kindergarten, erster Schultag
  • Schnuller abgewöhnen
  • Geschwisterkind wird geboren

Für besondere Situationen

  • Abschied nehmen
  • Streiten und Versöhnen
  • Krankheiten
  • Ängste
  • Besuche

Als Hilfe bei problematischen Situationen

Eltern können mit Ritualen auch manch kritische Erziehungssituation umschiffen. Ein ritualisierter automatischer Ablauf nimmt die Diskussionen in immer wiederkehrenden Problemsituation raus – und das schont die Nerven aller Beteiligten.

Ist zum Beispiel jeden Abend der Weg ins Badezimmer zum Umziehen mühsam, könnte man etwa einen Wecker einstellen, dessen Gong die Umziehzeit vorgibt. Oder eine Decke wird zum Eisenbahnwaggon, der das Kind vom Wohnzimmer ins Bad bringt. Dazu wird das Lied „Tschu tschu tschu die Eisenbahn“ gesungen.

Noch mehr kreative Ideen, wie du mit kindlichem Fehlverhalten umgehen kannst, erfährst du im Online-Workshop Fehlverhalten – was uns Kinder damit sagen wollen. Klicke hier für mehr Info und um dich anzumelden!

Workshop Fehlverhalten

Was Rituale nicht sein sollen?

Ganz wichtig: ein Ritual darf nie eine Strafe sein!

Von Zeit zu Zeit gehören Rituale auch einem „Service“ unterzogen – passt das Ritual noch für alle Beteiligten?

Gerade Kinder entwickeln sich ja rasch, so ist es öfter mal notwendig Anpassungen durchzuführen. Was für einen Dreijährigen wunderbar passt, ist für eine Fünfjährigen schon längst überholt. Dass ein Ritual nicht mehr passt, merkst du ganz einfach daran, dass plötzlich Proteste kommen beim Abläufen, die bis jetzt reibungslos liefen oder sogar heiß geliebt wurden.

Sobald das Ritual von einem in der Familie als einschränkend empfunden wird, verkommt es schnell zum inhaltsleeren Zwang. So lustig der Sonntagsspaziergang im Wald mit den Kleinen auch war, Teenager dazu zwingen, muffelig hinter den Eltern her zu marschieren, macht wohl keinen Sinn.

Buchtipp: Weil ich in den Kommentaren danach gefragt wurde, das ist mein Lieblingsbuch in Sachen Ritualen mit und für Kinder. Es ist zwar geschrieben für Pädagoginnen und Kindergruppen, aber man kann sehr viele Ideen auch in der Familie nutzen

Kinder lieben Rituale: Kinder im Alltag mit Ritualen unterstützen und begleiten

Jetzt interessiert mich natürlich: Welche Rituale gibt es in deiner Familie? Was ist dein Lieblingsritual und wie seid ihr dazu gekommen?

Hinterlassen Sie einen Kommentar





Porträt Vera Rosenauer

Vera Rosenauer

selbst Mama von zwei großartigen Töchtern, passionierte Langschläferin, Besitzerin (und Leserin!) mehrerer Kubikmeter Fachliteratur, zufriedene Kundinnen seit 2009

Bei mir bekommst du die passende Ausrüstung, um dein ganz persönliches Abenteuer Famlienleben gelassen zu meistern!

Das könnte dich auch interessieren:

Einzelkind sein oder Geschwisterkind – was ist besser?

Einzelkinder sind alle Egoisten! Das mittlere Kind wird immer übersehen! Typisch Nesthäkchen! Es gibt eine Menge an Vorurteilen und Meinungen, die über gewisse Geschwisterpositionen herumschwirren ...

Eltern als Vorbild – was Kinder davon lernen und was nicht

Angeblich macht es ja keinen Sinn, Kinder zu erziehen – denn sie machen einem ja sowieso alles nach …. Dieses Zitat wird Karl Valentin zugeschrieben. ...

Ich habe etwas ausprobiert! – mein HelloFresh-Erfahrungsbericht

Ich habe etwas ausprobiert ?Und zwar diese HelloFresh-Kochboxen, die mir Facebook und Google Ads dauernd anzeigen. Vermutlich, weil der Algorithmus dieser Dienste gespeichert hat, dass ...

3 erprobte Alternativen zum NEIN-Sagen

Für mehr positive Kommunikation in der Familie!

Als Auftakt erhältst du in der ersten Woche vier Emails mit vielen Tipps zum Grenzen setzen - unter anderem mit den drei erprobten Alternativen zum NEIN-Sagen. Danach 2-3 Mal monatlich den Newsletter mit aktuellen Blogartikeln, Mini-Coachings, Buchtipps und vielem mehr - schließe Dich jetzt über 3000 zufriedenen Leserinnen an!

Ich gehe sorgsam um mit deinen Daten - und natürlich hast du in jedem Newsletter die Möglichkeit, dich per Klick abzumelden.
Aber glaub mir - das wirst du nicht wollen!

Something went wrong. Please check your entries and try again.

* Werbelinks - für mehr Fairness & Transparenz im Netz

Manche Beiträge enthalten mit * gekennzeichnete Werbelinks. Wenn du über solche Links etwas kaufst, erhalte ich eine kleine Provision. Für dich macht es keinen Unterschied. Mir hilft es, die Kosten für den Blog zu tragen. Dadurch unterstützt du meine Arbeit und dafür danke ich dir! Buchtipps verlinke ich auf Amazon, weil du dir dort ein gutes Bild machen kannst - natürlich bestellt dein regionaler Buchhandel Bücher gerne für dich! Selbstverständlich empfehle ich nur Produkte, die ich besitze, nutze oder getestet habe (oder manchmal gerne selber hätte ;-)  - da bin ich ganz ehrlich zu dir!