Ist Bauchgefühl wirklich immer das Beste in Sachen Erziehung?

Immer wieder wird aufs mütterliche Bauchgefühl verwiesen.

Es wäre das beste und eigentlich einzige, dass es für eine erfolgreiche Erziehung brauche.

Man liest, dass Ratgeber und dergleichen eigentlich nicht notwendig sind (und somit auch mein Job als Erziehungsberaterin nicht?), denn sie würden bei Eltern vielmehr zu Verunsicherung führen, was denn jetzt richtig wäre.

Tatsächlich unterstütze ich Mütter in meinen Beratungsgesprächen oft ihr Bauchgefühl wieder zu finden und es zu spüren und hören, aber ist Bauchgefühl wirklich immer richtig?

Denn wenn ich so nachdenke, sagt mein Bauchgefühl mir auch Dinge wie:

  • „Geh doch heute lieber nicht zum Training, leg dich lieber gleich auf die Couch!“
  • „Gesundes selbstgekochtes Essen ist ja fein – aber bestell doch heute einfach etwas beim Chinesen!“
  • Und als wir meine 14Jährige heuer im Sommer zum Flughafen brachten, damit sie für drei Wochen nach England fliegt – da brüllte mein Bauchgefühl ganz einfach nur „NEEEIIIN!“

In solchen Situationen ist es dann doch sehr hilfreich, den Verstand einzuschalten und entgegenhalten:

  • Dass Training ja auch langfristig notwendig ist, um im Alter ausreichend Muskelmasse zu haben und dass ich mich danach sicher super gut fühle.
  • Dass der Chinese keinen Lieferdienst hat und ich zum Abholen raus ins Regenwetter müsste.
  • Und dass mein Baby mittlerweile 20 cm größer ist als ich und ich ihr eine der tollsten Erfahrungen ihres Lebens nehmen würde, wenn ich ihr den Spaß einer Sprachreise nicht gönne.

Aber ist das denn wirklich das Bauchgefühl? Oder – wer spricht denn da noch so in uns?

Bei Schulz von Thun finden wir das Modell des „Inneren Teams“

Die Idee dahinter ist, dass man sich seine unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile ansieht und die dann sogar als eigene Personen benennt. Wahrscheinlich kommen dir einige meiner inneren Teammitglieder sogar bekannt vor ????

Darf ich dir also vorstellen:

Der innere Kritiker

Das ist der, der nichts von dem, was ich tue, für gut befinden kann. Ständig hat er etwas zu nörgeln. Seit ich ihn Manfred genannt habe und ihn mir mit Schnurrbart vorstelle, gelingt es besser, ihn in seine Schranken zu weisen. Dann ist er wenigstens nicht mehr so laut.

Die hauptberufliche Bedenkenträgerin

Ihr fallen zu jedem meiner Pläne gleich die Schattenseiten, Risken und Nebenwirkungen ein. Mit ihr habe ich mich aber mittlerweile gut angefreundet, weil ich mir dank ihrer Inputs zu Plan A auch immer noch gleich Plan B und Plan C überlege, was mir schon oft hilfreich war.

Meine Mutter

Sie höre ich nicht nur im Inneren, sondern auch tatsächlich – etwa wenn ich zu meinem Kindern sage: „Bei der Kälte müsst ihr aber eine Haube aufsetzen!“

Der innere Schweinehund

Oja, der ist wirklich problematisch! Dieser faule Sack läge doch tatsächlich am liebsten den ganzen Tag auf der Couch und würde Bugles Nacho Cheese futtern, die natürlich am besten jemand anderer einkauft und serviert …

Und da gibt es noch ein paar andere, die fröhlich mitplaudern. Die Challenge lautet, die verschiedenen Stimmen auseinander zu halten, und zu entscheiden, ob die Botschaft jetzt relevant ist oder nicht!

Aber wieder zurück zum Thema …

Wie ist das jetzt mit dem Bauchgefühl? Wie funktioniert‘s?

Tatsächlich gibt es so etwas wie ein Bauchhirn (Enterisches Nervensystem), also Nervenzellen, die die Verdauung steuern und auch mit unserem Gehirn kommunizieren (zum Beispiel dann, wenn uns nicht so wohlgesinnte Bakterien im Darm, die sich von Zucker ernähren, „Heißhunger auf Süßes“ nach oben funken!)

Wir können hier auch die Intuition ins Spiel bringen – also plötzlich Eingebungen, die sich rational nicht erklären lassen. Bauchgefühl oder Intuition ist etwas, dessen Herkunft man meist nicht selbst begründen kann, weil sie aus dem Unterbewussten kommen.

Renz-Polster erklärt das Phänomen auch als „implizites Lernen“. Dinge, die wir schon oft bei anderen beobachtet und uns unbewusst gemerkt haben. Je öfter wir es gesehen haben, umso höher die Wahrscheinlichkeit des Bauchgefühls, wenn wir wieder mal in eine ähnliche Situation kommen.

Ganz praktisch, je öfter du andere Mütter bei der Versorgung ihrer Babys beobachten konntest, umso eher sind intuitiv Ideen zur Beruhigung deines weinenden Babys da.

Zum Bauchgefühl gehören also auch Lernerfahrungen, die bewusst gemacht oder auch unbewusst gespeichert wurden.

{loadmodule mod_blank250,3 erprobte Alternativen zum NEIN-Sagen}

Bauchgefühl ist perfekt in Situationen von Gefahr und Not

Eine liebe Freundin von mir wurde heuer im Sommer von einer Kuh beim Wandern attackiert. Das dazugehörende Kalb lag auf der anderen Seite des Weges, nicht sichtbar für die Wandergruppe.

Nur wenige Sekunden vor der Attacke hat sie instinktiv den Platz mit ihrem Sohn gewechselt – ohne darüber nachzudenken oder zu wissen warum. Der Schubser der Kuh, der bei ihr eine Rippenprellung und einen ordentlichen blauen Fleck ergeben hat, hätte ihren Sohn genau im Halsbereich getroffen.

Das Bauchgefühl war hier also wirklich ein Retter in der Not.

Genauso sagt uns unser Bauchgefühl ganz dringend, dass Trost gefragt ist, wenn wir ein Baby weinen hören. Ein weinendes Baby ist immer in Not – da ist Handlung angesagt! Und kaum jemandem wird es zum Glück gelingen, diesem Bauchgefühl zu widerstehen.

Wofür sich das Bauchgefühl weniger eignet

Weniger verlässlich ist unser Bauchgefühl aber, wenn wir uns Fehlverhalten oder Grenzüberschreitungen von Kleinkindern gegenübersehen. Da melden sich dann eher andere Stimmen unserer inneren Teammitglieder mit ihren verfestigten Mustern und Ansichten.

„Das macht das Kind ja absichtlich!“
„Das müsste es doch längst schon wissen!“
„Muss ich denn wirklich alles 1000mal sagen?“

Aber auffälliges Verhalten ist ebenso oft ein Hilferuf oder es steckt eine eigentlich positive Botschaft dahinter, die das Kind noch nicht anders verpacken oder in Worte fassen kann. Dann ist es hilfreich, wenn wir unser Bauchgefühl und seine KollegInnen (ich erinnere ans implizite Lernen!) etwas schulen und ihm auch andere Ideen aufzeigen.

Wenn du mehr darüber wissen willst, dann lade ich dich ganz herzlich zu meinem Online-Workshop Fehlverhalten – was uns Kinder damit sagen wollen ein.

Fazit:

Bauchgefühl und Intuition sind wunderbar, aber oft nicht leicht von anderen „inneren Stimmen“ zu unterscheiden. Nicht alles, was als Bauchgefühl daherkommt, ist es auch tatsächlich.Deshalb sollten wir genau hinspüren (lernen), was wirklich das Bauchgefühl ist und was vielleicht eine verinnerlichter gesellschaftlicher Anspruch von außen.

Nun interessiert mich natürlich, wer spricht in deinem Inneren? Wie ist dein inneres Team aufgestellt? Und wie geht es dir mit dem Bauchgefühl und deiner Intuition?

Hinterlassen Sie einen Kommentar





Porträt Vera Rosenauer

Vera Rosenauer

selbst Mama von zwei großartigen Töchtern, passionierte Langschläferin, Besitzerin (und Leserin!) mehrerer Kubikmeter Fachliteratur, zufriedene Kundinnen seit 2009

Bei mir bekommst du die passende Ausrüstung, um dein ganz persönliches Abenteuer Famlienleben gelassen zu meistern!

Das könnte dich auch interessieren:

Wie viel Wut ist normal

Wie viel Wut ist noch normal?

Valentin brüllt wie am Spieß, wenn er das gewünschte Keksi nicht bekommt. Marie haut scheinbar aus dem Nichts auf das fremde Kind hin, das neben ...
Gender battle

Warum bei hier nicht gegendert wird

- und Papas trotzdem willkommen sind Ich bekomme regelmäßig Emails von Papas, die meine persönliche Genderregelung (= grundsätzlich weiblich, Männer selbstverständlich mitgemeint!) hier auf der ...
Kontrolliere die Umgebung, nicht das Kind!

Geschwisterstreit: wie du die Ursachen besser erkennst und dabei gelassener bleibst

„Ein entspannterer Familienalltag!“„Weniger Stress und Hektik“„Mehr Gelassenheit!“Das sind Wünsche von Mamas, die ich in Beratungen oder Workshops immer wieder höre. Dann wird erzählt, dass die ...

3 erprobte Alternativen zum NEIN-Sagen

Für mehr positive Kommunikation in der Familie!

Als Auftakt erhältst du in der ersten Woche vier Emails mit vielen Tipps zum Grenzen setzen - unter anderem mit den drei erprobten Alternativen zum NEIN-Sagen. Danach 2-3 Mal monatlich den Newsletter mit aktuellen Blogartikeln, Mini-Coachings, Buchtipps und vielem mehr - schließe Dich jetzt über 3000 zufriedenen Leserinnen an!

Ich gehe sorgsam um mit deinen Daten - und natürlich hast du in jedem Newsletter die Möglichkeit, dich per Klick abzumelden.
Aber glaub mir - das wirst du nicht wollen!

Something went wrong. Please check your entries and try again.

* Werbelinks - für mehr Fairness & Transparenz im Netz

Manche Beiträge enthalten mit * gekennzeichnete Werbelinks. Wenn du über solche Links etwas kaufst, erhalte ich eine kleine Provision. Für dich macht es keinen Unterschied. Mir hilft es, die Kosten für den Blog zu tragen. Dadurch unterstützt du meine Arbeit und dafür danke ich dir! Buchtipps verlinke ich auf Amazon, weil du dir dort ein gutes Bild machen kannst - natürlich bestellt dein regionaler Buchhandel Bücher gerne für dich! Selbstverständlich empfehle ich nur Produkte, die ich besitze, nutze oder getestet habe (oder manchmal gerne selber hätte ;-)  - da bin ich ganz ehrlich zu dir!